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 160 Jahre Mauch'sche Villa

Mauch'sche Villa - erbaut 1861

im Juli 2018
© Melli BäurleMauch'sche Villa - erbaut 1861 im Juli 2018 © Melli Bäurle

- eine Hommage an die Homöopathie -

- eine Reise durch die Zeit -

Es ist nicht nur die Geschichte eines Visionärs, eines Hauses oder ein paar Pflänzchen...

Reisen wir zusammen zurück in das Jahr 1559 ...

 

Im September 1559 bittet Jerg Mergenthaler bei Herzog Christoph um die Erlaubnis eine Apotheke in Göppingen errichten zu dürfen. Nachdem er im Jahre 1594 stirbt, übernimmt sein Sohn und Bürgermeister Benedikt bis 1640 die Apotheke in der unmittelbaren Nachbarschaft des Rathauses. (Benedikt Mergenthaler heiratete Anna Maria Schickhart - Nichte von Heinrich Schickhart - dem Erbauer der Schlosskirche, der heutigen Stadtkirche Göppingen). Bleibt die Apotheke noch bis 1666 weitestgehend in Familienbesitz - wechselt sie bis 1780 ganze sechs mal den Besitzer.

Im Jahre 1781 übernimmt dann schließlich Georg Friedrich Raith die "Untere Apotheke" in der Hauptstrasse 7 (dessen Neffe Carl Georg Ludwig Reichard knapp 26 Jahre später Besitzer der seit 1568 bestehenden Mohrenapotheke auf dem Münsterplatz in Ulm wurde). Sechs Jahre später beginnt Christian Friedrich Raith bei seinem Vater als Geselle, bevor er die Apotheke 1811 schließlich selbst übernimmt. original Exponate Dr. Mauchs

©Melli Bäurle im Juni 2021original Exponate Dr. Mauchs ©Melli Bäurle im Juni 2021

1835 übergibt er sie in Ermangelung eines überlebenden Nachkommen an seinen damals 21-jährigen Schwiegersohn Carl August Mauch aus Linsenhofen. Siebzehn Jahre später - im Jahre 1852 kommt dessen Neffe Friedrich Theodor Mauch im Alter von 15 Jahren aus Owen/Teck nach Göppingen zu ihm in die Lehre. Der Sohn eines Pfarrers entwickelt sehr früh ein Gespür für den Fortschritt. Nach drei Jahren Lehrzeit und einem Jahr als Gehilfe seines Onkels Carl geht er für das Semester 1856/57 an das pharmazeutische Unterrichtsinsitiut Walz nach Heidelberg, darauf folgt ein halbes Jahr an der polyteschnischen Schule Stuttgart und zwei Jahre in der Pulversche Apotheke bei Bern. 1859 wird die Firma Märklin von dem Flaschnermeister Friedrich Theodor Wilhelm Märklin gegründet - eben an diesem Ort, wo sich knapp zwei Jahrzehnte später die Homöopathische Centralapotheke befinden wird.

Zeichnung etwa 1862 - der Falkenturm entsteht erst 30 Jahre später
Zeichnung etwa 1862 - der Falkenturm entsteht erst 30 Jahre später Am 15. März 1861 legt Friedrich Mauch sein Examen zum Apotheker ab, im selben Jahr erbaut Carl August Mauch die Villa in der damaligen Wilhelmstrasse - der heutigen Hohenstaufenstrasse.

Am 17. Juni 1862 heiratet er seine Cousine Charlotte Luise Mauch, nur wenige Wochen nach der Übernahme der "Unteren Apotheke" seines Onkels und Neu-Schwiegervaters. Kurze Zeit später bereits beginnt Friedrich Mauch im Garten der Villa die ersten Laboratorien-Häuser zu errichten. In seiner Studierstube und in seinem Gartenhäuschen experementiert er bereits mit  50 - 60 Potenzen aus verschiedenen pflanzlichen und humanen Auszügen. Pulverschächtelchen aus der Mauch'schen Apotheke
22.2(?).1887
© Melli BäurlePulverschächtelchen aus der Mauch'schen Apotheke 22.2(?).1887 © Melli Bäurle

Hamamelis-Extrakt
aus der Preisliste der Hmöopathischen Centralapotheke
© melli BäurleHamamelis-Extrakt aus der Preisliste der Hmöopathischen Centralapotheke © melli Bäurle1865 beginnt er mit der gewerbsmäßigen Herstellung und dem Verkauf seiner ersten homöopathischen Mittel. Zwei Jahre später macht er eine Zwischenstation an der Universität München, bevor er am 16. Dezember 1868 schließlich seine Promotion zum Dr. rer. nat (Doktor der Naturwissenschaften) an der Eberhard Karls Universität in Tübingen ablegt. Seine Dissertation lautete auf den Namen "Chemische Untersuchung der Copalche-Rinde und der Rinde von Drimys chilensis". (Copalchi-Rinde - Hitonia latiflora - ist mit dem Kaffeestrauch verwandt und wird in der Volksmedizin ihrer Ursprungsländer als Tee verwendet; Winterrinde - Drimys winteri var. chilensis - wurde zur Behandlung von Magenverstimmungen und Skorbut verwendet.)Hamamelis Seife aus der Homöopathischen Central-Apotheke Dr. Fr. Mauch
© Melli BäurleHamamelis Seife aus der Homöopathischen Central-Apotheke Dr. Fr. Mauch © Melli Bäurle

 

Bereits im Jahr 1870 wird er Sachverständiger für Chemie und wird 1876 zum stellvertretenden Vorsitzenden des Pharmazeutischen Landesvereins Württemberg. Ebenfalls 1870 stirbt seine erst im Jahr zuvor geborene Tochter Lina. Am 23. August 1871 wird sein Nachfolger Richard Mauch geboren.

Hatte er 1872 eine Konzession für einen Flaschenweinhandel beantragt, gingen ein Jahr später die Rechte für "Dr. Zimpel's Spagyrische Mittel" auf ihn über. 

1875 dann ein erneuter Schicksalsschlag - die am 13. April 1873 geborene Tochter Martha Mauch stirbt am 16. Januar. Grabstein Martha Mauch - auf der Rückseite eingraviert: 
Joh. 11,5
Buch der Weisheiten 4,10
Der Herr hatte Martha lieb:
Sie gefiel Gott und wurde von ihm geliebt, da er mitten unter Sündern lebte, wurde er entrückt.
© Melli BäurleGrabstein Martha Mauch - auf der Rückseite eingraviert: Joh. 11,5 Buch der Weisheiten 4,10 Der Herr hatte Martha lieb: Sie gefiel Gott und wurde von ihm geliebt, da er mitten unter Sündern lebte, wurde er entrückt. © Melli Bäurle

Schon 1878 wurde Friedrich Mauch durch seine Homöopathischen Mittel gezwungen seine allopathische Apotheke mit den Räumlichkeiten der nebenan befindlichen ehemaligen Kupferschmiede Bäurle zu vergrößern. Beide Apotheken werden mit einem damals neumodischen Telefon miteinander verbunden. Kurze Zeit später versendet er die ersten 32-seitigen Preislisten und stellt eigens für den Versand seiner Tinkturen und Globuli einen Apothekergehilfen ein. Neben all seinen Tätigkeiten betreibt er ein chemisch-analytisches Untersuchungslabor und findet noch Zeit an den Göppinger Latein-, Oberreal- und Fortbildungsschulen Chemie und Physik zu unterrichten, woraufhin ihm 1881 der Professoren-Titel ehrenhalber verliehen wird.Taschenapotheke mit 18 Potenzen aus der Homöopathischen Preisliste 
© Melli BäurleTaschenapotheke mit 18 Potenzen aus der Homöopathischen Preisliste © Melli Bäurle

Kirchstrasse 14Kirchstrasse 14Dem damaligen Zeitgeist vorraus, gliedert er die homöopathische Apotheke 1883 - bereits vor dem Gesetzerlass - in die Räumlichkeiten "Zum Pflug" von Rudolf Borst in der Hauptstrasse 11 aus. Die Mauchsche Apotheke nimmt nun von der Hauptstrasse 7 bis 11 eine komplette Häuserzeile ein. Ein geprüfter Apotheker wird zur Unterstützung eingestellt und die Arzneien werden bereits jetzt schon weit ins Ausland verschickt. Glücklichen Umständen ist es 1887 zu verdanken, daß er das Grundstück direkt dahinter in der Kirchstrasse 14 erwerben konnte. Im Jahr darauf zieht das "Homöopathische Central-Offizin" an seinen endgültigen Homopathische Centralapotheke in der Kirchstrasse 14
die heutige Kultkneipe "d'Apothek"
©Melli BäurleHomopathische Centralapotheke in der Kirchstrasse 14 die heutige Kultkneipe "d'Apothek" ©Melli BäurleBestimmungsort. Die Preisliste ist inzwischen zu einem umfangreichen Buch gewachsen, mit der rausragenden Möglichkeit ganze Apothekeneinrichtungen zu kaufen. Mit dem Tod Carl August Mauchs am 27. Juli 1888 geht das Anwesen in der Wilhelmstrasse 2 auf Friedrich Mauch über.

Grabstein Carl-August Mauch auf dem Oberhofen-Friedhof

im Oktober 2018
© Melli Bäurle (mit einem Dank an Stadtführerin Margit Haas)Grabstein Carl-August Mauch auf dem Oberhofen-Friedhof im Oktober 2018 © Melli Bäurle (mit einem Dank an Stadtführerin Margit Haas)

Preisliste der Homöopathischen Centralapotheke
von etwa 1910
© Melli BäurlePreisliste der Homöopathischen Centralapotheke von etwa 1910 © Melli Bäurle1894 tritt Friedrich Mauch durch zunehmende Alterserscheinungen von seiner Lehrertätigkeit zurück, läßt seine Villa an der Westseite mit dem Falkenturm vergrößern und übergibt zwei Jahre später Georg Losch das Offizin als Geschäftsführer. Die Mauchsche Apotheke ist mit einem Jahreseinkommen von 45.000 M zu dieser Zeit an derunangefochtenen Spitze der drei Göppinger Apotheken. Baugenehmigung für den Bau des Falkenturms vom 2./4. Januar 1894. 
© Melli BäurleBaugenehmigung für den Bau des Falkenturms vom 2./4. Januar 1894. © Melli Bäurle

Wiederrum zwei Jahre später folgt der am 11. Juni 1868 in Tübingen geborene Apotheker Carl Friedrich Müller Georg Losch als Geschäftsführer - der diese Stelle bis 1921 inne behält. Im Oktober 1898 übergibt Friedrich Mauch seine beiden Apotheken seinem Sohn Richard Mauch.

AGrabstein Friedrich Mauchs auf dem Oberhofen-Friedhof

im Juni 2018
© Melli BäurleGrabstein Friedrich Mauchs auf dem Oberhofen-Friedhof im Juni 2018 © Melli Bäurlem 22. Juli 1905 stirbt Friedrich Mauch im Alter von 68 Jahren in Göppingen, seine letzte Ruhestätte findet er auf dem Oberhofen-Friedhof. 1906 geht das Anwesen in der Wilhelmstrasse 2 auf seine drei Söhne Richard, Oskar und Theodor über. Sohn Richard Mauch verkauft im Dezember zwei Jahre später beide Apotheken - deren Wert sich in 40 Jahren mehr als versechsfacht hatte - an Konrad Reich und gründet in Köln die "Firma Richard Mauch & Co.", einige Jahre später verlegt nach Bad Honnef.

1910 verkauft Apotheker Reich beide Apotheken an die Studienfreunde Arnold Schmitz und Heinrich Diel, im selben Jahr geht die Villa in den Besitz der jüdischen Familie Gutmann über.

1921 gründet Carl Müller die "Chemisch-Pharmazeutische Fabrik Müller" in der Bahnhofstrasse, in der er einige der zuvor im Central-Offizin hergestellten Mittel übernimmt und aufgrund gestiegener Nachfrage, schneller und in größerer Stückzahl herstellt. 1932 stirbt Carl Müller am 26. Juli und hinterlässt seine Frau Mina und zwei Töchter. 1956 entsteht daraus wiederum die Spagyrika und Homöopathika herstellende Firma "Staufen Pharma" und schließlich die Schwesternfirma "Müller Göppingen".

1937 stirbt Arnold Schmitz und Diel übernimmt beide Apotheken. Fanny Gutmann wandert gezwungenermaßen im Rahmen der damals legalen und nicht unüblichen "Arisierung" im August 1938 nach England aus. Ihr folgt im August 1939 Mathilde Steiner unter den gleichen Umständen.

 

In den Kriegswirren des 2. Weltkriegs erwirbt Dr. Arndt Wilhelm noch im gleichen Jahr die Villa, in deren Folge sich der Name "Haus Wilhelm" bei der Bevölkerung einprägt. 

- An dieser Stelle möchte der Verein hinweisen, daß das "Haus Wilhelm" geschichtlich nicht mit der gleich neben der Villa befindlichen "Wilhelmshilfe" verbunden war und ist - diese erhielt 1839 ihren Namen von König Wilhelm I. von Württemberg. -

1962 stirbt Heinrich Diel. Die Leitung für beide Apotheken gehen an seinem Schwiegersohn Albert Bürkle über.

Zum 30. September 1974 verkauft Albert Bürkle die Apotheken - aus der Homöopahischen Centralapotheke in der Kirchstrasse 14 geht die Kult-Kneipe "d'Apothek" hervor

1975 wird die Wilhelmstrasse in Hohenstaufenstrasse umbenannt.

Als Dr. Wilhelm stirbt, vermacht er - unter der Vorraussetzung daß das Haus für gemeinnützige Dinge genutzt wird - der Stadt Göppingen den Besitz. 1976 wird eine Altenbegegnungstätte eingerichtet, danach folgen ein Kindergarten, Seniorentreff und der Sitz des Seniorenrates der Stadt Göppingen.

Aufgrund des 2007 neu errichteten Bürgerhauses in der neuen Stadtmitte stand daraufhin die Villa leer.

Im Oktober 2017 gingen das Grundstück und die Gebäude der "Chemischen Pharmazeutischen Fabrik Müller" in der Bahnhofstrasse in den Besitz der Stadt Göppingen über.

 

Professor Dr. Friedrich "Fritz" Theodor Mauch 11. Juni 1837 - 22. Juli 1905Professor Dr. Friedrich "Fritz" Theodor Mauch 11. Juni 1837 - 22. Juli 1905

Friedrich Mauch war unter anderem von 1891 - 1897 auch Mitglied des Gemeinderates und des Bürgerausschuss, Vorstandsmitgleid im Handels- und Gewerbeverein sowie im Gewerbeschulrat und zeigte sich sehr offen gegenüber technischen Neuheiten. Hatte er bereits Ende des 19. Jahrhunderts erst seine beiden Apotheken und schließlich auch sein Wohnhaus in der Wilhelmstrasse mit einem Telefonanschluß verbinden lassen, welches er extra aus Amerika hatte importieren lassen. Deshalb ist es dem Verein eine besondere Freude, das erste Süddeutsche Telefon von seinen Nachfahren aus England zurückbekommen zu haben. erstes Telefon Süddeutschlandserstes Telefon SüddeutschlandsZu seinem Erbe gehören eine Pilz-, geologische und mineralogische Sammlung - erstere kann noch zum Teil im Erdgeschoss der Mauch'schen Villa besichtigt werden. Ausserdem war er überzeugter Anwender der Spagyrik (eine Art der Destillation) und hatte dadurch regen Kontakt mit dem schlesischen Eisenbahningenieur Dr. Carl-Friedrich Zimpel (1801 - 1879), für den er auch die Homöopathische Mittel ("Dr. Zimpels Heilsystem") herstellte und vertrieb. Ab 1921 wurden die Präparate von Carl Müller in seiner Chemisch-Pharmazeutischen Fabrik hergestellt. 

Richard Mauch wiederum verband nach seinem Weggang nach Bad Honnef eine enge Freundschaft mit Pastor Emanuel Felke - dem Vater der Komplexen Homöopathie.

Ein langjähriger Mitarbeiter der Firma Richard Mauch & Co., Bad Honnef/RH war darüberhinaus ein gewisser Emil Hevert, der - begeistert von der vielseitigen Herstellungsmöglichkeiten in der Homöopathie - 1956 seine eigene Firma Hesopharm Pharmazeutische Erzeugnisse in Sobernheim (der Wirkungsstätte von Pastor Felke) gründet. Nach dem frühen Tod von Emil Hevert 1959, übernahm seine junge Frau Dorothea die Firmenangelegenheiten und wandelte sie zu dem weltweitführenden Homöopathie-Unternehmen Hevert Arzneimittel GmbH & Co.KG.

 

 

 

 

Verein Mauch'sche Villa, Haus Wilhelm e.V.

Um den Erhalt und die Pflege der denkmalgeschützten Villa, kümmert sich seit Oktober 2008 der am 23. Juni 2007 gegründete Verein Mauch'sche Villa, Haus Wilhelm e.V.

Am 1. Oktober 2008 hatte der Verein das Erdgeschoss übernommen und bietet seitdem von Montag bis Freitags einen offenen Treffpunkt für jedermann mit vielen verschiedenen Angeboten an.

Im September 2012 wurde zusätzlich der 1. Stock und das Obergeschoss übernommen und so konnte das Angebot nochmals vergrössert werden.

Nachdem die Stadt Göppingen mehrfach den Verkauf der Villa hinausgezögert hat, hat sich der Verein dazu entschlossen das Haus im Oktober 2016 zu kaufen.

Nach zehn turbulenten und auch schwierigen Zeiten feiert der Verein im Oktober 2018 sein 10-jähriges Bestehen.

 

 

Der Verein bedankt sich herzlich für die Mithilfe bei den aufwendigen Recherchen bei

Dipl.-Archivar (FH) Martin Mundorff - Stadtarchiv Göppingen

Dr. Karl-Heinz Rueß - Stadtarchiv Göppingen

Edit Lengyel - Stadtverwaltung Göppingen, Referat Bauunterlagen

Renate Geiger - Stadtverwaltung Göppingen, Referat Baurecht

Claudia Schick - Verein Mauch'sche Villa, Haus Wilhelm e.V.

 

                         

 

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